Das Paket
Kaum waren zwei Tage vergangen, als Mick auf einen
Mann traf. Zuerst rempelte er Mick an und dieser regte sich darüber auf, weil
dadurch seine Zigarette hinuntergefallen war. Eigentlich regte er sich nicht
oft auf, aber wenn es um seine Zigaretten ging, musste er Grenzen ziehen.
Schnell hatte der verhüllte Mann ein
‚Entschuldigung‘ dahin genuschelt und musterte Mick. Er holte ein Foto aus
seiner Jackentasche, schaute Mick und das Foto an und drückte ihm dann still
schweigend ein kleines Packet in die Hand. Fast vergessen, dass er noch ein
Paket bekommen sollte, nahm er es an und steckte es schnell weg. Er versuchte
es so gut wie möglich zu verstecken. Dies war der einzige Punkt in seinem
Leben, als er dachte, dass Handtaschen doch nicht so unpraktisch waren. Das
Paket wollte er nicht in der Öffentlichkeit auspacken – aus Angst beobachtet zu
werden.
So schnell wie möglich ging er nach Hause und
stürmte in das Haus hinein. Er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Mutter
dort war. Sie kam in den Flur und umarmte ihren Sohn.
„Was ist los, Mama?“, fragte Mick, der sichtlich
verwirrt über diese Reaktion war.
„Nichts. Ich freue mich nur über dein Dasein.“,
antwortete seine Mutter. „Freust du dich denn nicht?“
„Natürlich freue ich mich.“, sagte Mick, wollte
aber so schnell wie möglich in sein Zimmer gehen, um das Paket aufzumachen.
„Aber Mama, ich habe da was wichtiges … oben in meinem Zimmer. Wenn du mir fünf
Minuten gibst, gebe ich dir meine komplette Aufmerksamkeit für die nächsten
paar Stunden. Warum freust du dich eigentlich so?“
„Ich wurde befördert.“, verkündigte die Mutter.
„Eigentlich wollten dein Vater und ich dir das erst heute Abend sagen, aber ich
musste es dir unbedingt sagen.“
„Das freut mich für dich, Mama.“, sagte Mick und
umarmte seine Mutter. Dann ging er die Treppe hinauf, in sein Zimmer und
schloss die Tür hinter sich. Schnell schloss er die Tür ab und setzte sich vor
sein Bett. Zuerst schaute er das Packet nur an und schüttelte es einmal vor
seinem Ohr. Zwar wusste er was in dem Packet war, aber er hatte doch ein wenig
Angst es zu öffnen. Er nahm ein Messer aus seiner Hosentasche und öffnete das
Paket behutsam.
Darin fand er wie erwartet ein Handy – ein uraltes
Tastenhandy – und ein Tütchen mit der Aufschrift: „Cannabis – 5 Milligramm“
Es lag noch ein Zettel dabei, auf dem in
krakeliger Schrift geschrieben stand: „Dies musst du für mindestens 5€ pro
Gramm verkaufen, wenn du es für mehr verkaufst, bekommst du dementsprechend
mehr. Bei 5€ würde dir 1€ zustehen.“
Schnell hatte Mick sich ausgerechnet, dass ihm
demnach 20 Prozent zustünden. Danach wand er sich dem Handy zu und schaltete es
an. Es dauerte nicht lange bis er eine SMS bekam: „Parkplatz der
Allgemeinbildenden Schule, heute Nacht um 23 Uhr, Ian Schmidt.“
Mick war sich nicht ganz sicher, ob er auf die SMS
antworten sollte. Er entschied sich dafür, dies nicht zu tun und abzuwarten.
Er ging zu seiner Mutter und versuchte die heile
Familienwelt aufrechtzuerhalten. Ganz bestimmt wollte er nicht, dass seine
Eltern oder Freunde dies von ihm wussten. Er musste sein normales Leben
weiterführen und das andere Leben vor allem verstecken. Noch dachte er, dass
dies eine Leichtigkeit werden würde.
Am späten Abend, schlich er sich aus dem Haus.
Seine Eltern waren schon längst in ihrem Zimmer und da war es leicht, sich nach
unten zu schleichen und durch das Terrassenfenster leise zu verschwinden.
Zuerst wusste er nicht wo dieser Parkplatz ist,
aber mit einem Routenplaner, welcher auf seinem Handy war, konnte er den Weg
finden. Er war eine viertel Stunde zu früh. Im Schatten der Schule versteckte
er sich und stellte sich vor, wie der Typ wohl aussehen würde.
Pünktlich wie ein Uhrwerk kam ein alter Chevrolet
auf den Parkplatz gefahren. Mick lief zu dem Auto und der Fahrer ließ die
Scheibe hinunter.
„Ian?“, fragte Mick und versuchte dies so dunkel
wie nur irgend möglich zu sagen.
Der Mann nickte und fragte: „Wie viel?“
Auch wenn Mick darüber nachgedacht hatte, wie viel
er nehmen sollte, war er sich noch immer nicht sicher wie viel er nehmen
sollte. Spontan sagte er: „7,50 pro Gramm.“ Schnell rechnete er im Kopf.
„37,50.“
„Okay… kannste wechseln?“
Schnell dachte Mick nach und antwortete dann:
„Kommt drauf an.“ Er hatte nur wenig Wechselgeld. Da hatte er gar nicht dran
gedacht.
„40 hab ich wohl…“, sagte der Typ und holte zwei
Zwanziger aus seiner Hosentasche heraus.
„Okay…“, sagte Mick und kramte die 2,50 Euro aus
seiner Hosentasche heraus und gab sie dem Typen. Nachdem er die 40 Euro
entgegengenommen hatte, gab er das Tütchen an den Typen. Der Typ fuhr die
Scheibe hoch und fuhr mit quietschenden Reifen weg.
Auch Mick machte sich auf den Weg nach Hause, doch
ehe er dort ankam, fuhr wieder der schwarze Mercedes vorbei und hielt in der
Nähe von ihm.
Ohne jegliche Aufforderung stieg Mick in das Auto
und gab das Geld an den Mann. Der Mann holte selber auch Geld heraus und gab
Mick 13,50 Euro.
„Aber ich bekomme doch nur 6. Ich bekomme nur 20
Prozent von dem Erlös.“
Der Mann schüttelte lachend den Kopf. „Es ist mir
egal, wie viel teurer du den Scheiß verkaufst. Ich gebe dir einen Preis vor und
dann kannst du deine eigenen Preise machen. Du kaufst den Stoff nur von mir und
verkaufst ihn. Der einzige Unterschied: Du musst dich an meine Kunden halten
und bekommst nicht deine eigenen. Du verkaufst den Stoff an die Leute, die ich
vorher ausgesucht habe und du musst den Mindestpreis einhalten, den ich dir
vorschreibe, aber nach oben steht dir alles offen – was den Preis angeht.“
„Okay…“, sagte Mick und begriff langsam das
Prinzip. Dies war der Punkt an dem er Gefallen an dem bekam, was er tat.
Als er etwa eine halbe Stunde später in seinem
Bett lag, war er überglücklich darüber, dass er das Zeug verkaufte. Er konnte
schnell an Geld kommen und das Einzige, was er tun musste, war Ware von Punkt A
an Punkt B zu bringen.
Wenn er über alles nachdachte, fand er, dass er
weniger ein Drogendealer, als ein Dorgenbote war.